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Sonntag, 5. April 2015

Pfarrer hält Reichtum für Kernproblem der Kirche

Nürnberger Nachrichten, Osterausgabe 2015, Seite 3

Mittelfränkischer Ruhestands-Theologe Hans Löhr findet: Üppige Steuereinnahmen lähmen jede Veränderung

VON MICHAEL KASPEROWITSCH

Das deutsche System der Kirchensteuer spült Katholiken und Protestanten bundesweit derzeit etwa je fünf Milliarden Euro in die Kasse. Ein mittelfränkischer Ruhestandspfarrer hält diesen Reichtum für schädlich.
BURGOBERBACH – Es sind offenbar gründlich gewogene Worte zum Abschied aus dem Pfarramt. Sie münden in eine Fundamentalkritik an der eigenen Landeskirche.
40 Jahre stand Hans Löhr als Theologe in ihren Diensten, als Vikar in Erlangen, als Pfarrer in Röthenbach an der Pegnitz, Studentenseelsorger in München und zuletzt über 13 Jahre in der ländlichen Pfarrei Sommersdorf-Burgoberbach und Thann (Kreis Ansbach). Einige Jahre war er Mitglied der Landes- sowie der EKD-Synode. Die Leidenschaft für grundlegende Veränderungen scheint ihm nicht abhandengekommen zu sein.
Im letzten Gemeindebrief, den Löhr verantwortete, zählt er neben der traditionellen Gemeindearbeit all die eigenen Anstrengungen gegen den “Niedergang der Kirche” auf. “Wir wollten den nicht achselzuckend hinnehmen”, heißt es da. Alternative Gottesdienstformen mit Hunderten von Besuchern gehörten dazu, neue erfolgreiche Angebote für Kinder, ein moderner Internetauftritt, Bibelauslegungen per E-Mail oder in einem Glaubens-Blog. Man habe damit bei Gläubigen großen Anklang gefunden.
Das lange Leiden des Theologen an der stetig nachlassenden Kirchenbindung der Menschen hat das allerdings kaum gelindert. “Wie die meisten Kollegen habe ich die Entwicklung lange als Zeiterscheinung hingenommen, gegen die man wenig ausrichten könne.” Später sei er zunehmend kirchenkritischer geworden. Löhr schreibt den Spitzenprotestanten “Versagen bei der Glaubensvermittlung” ins Stammbuch. Es gehe grundsätzlich viel zu wenig um die Suche nach Angeboten, welche die Kirchenmitglieder auch nachfragten.
Dann kommt Löhr auf den Punkt: “Unser größtes Problem als Kirche ist das viele Geld.” Die Kirchensteuereinnahmen seien ebenso außergewöhnlich hoch wie die Zahl der Kirchenaustritte. Und über 80 Prozent der verbleibenden Mitglieder teilten den von der Kirche vermittelten Glauben nicht mehr, hält Löhr in einer ergänzenden Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung fest. “95 bis 99 Prozent der Gläubigen bleiben dem traditionellen Kirchengottesdienst fern.”
Wie Dagobert Duck
In der gesamten Kirchenhierarchie vom Landesbischof bis zum einzelnen Kirchenvorstand müssten seiner Auffassung nach deshalb die Alarmglocken schrillen. Aber Löhr vernimmt nur “ein leises Bimmeln, weil das viele Geld alles erstickt”. Die Kirche bade darin wie Dagobert Duck in seinem Geldspeicher. Die Finanzmittel erlaubten es, viele Menschen anzustellen, Immobilien zu unterhalten oder “Gräber der Propheten zu tünchen”. Kindergärten und soziale Einrichtungen würden damit nur zum geringen Teil finanziert. Das Geld dafür komme meist vom Staat und damit von allen Steuerzahlern, ob sie nun Mitglied der Kirche sind oder nicht. Der Kirchenapparat “bestätigt sich seine Bedeutung ständig selbst und schwebt über den Ortsgemeinden”, klagt Löhr. Das Geld für die “schöne Fassade” lähme jeden Veränderungsimpuls.
Der Theologe wolle seine Kirche nicht in Grund und Boden verdammen, er verdanke ihr schließlich viel. Mit dazu gehört sicher das stattliche Gehalt für Vollzeit-Gemeindepfarrer – Löhr teilte sich die letzte Stelle mit seiner Frau – mit über 5000 Euro brutto in der letzten Stufe. Über 70 Prozent davon bleiben als Rente. Aber er beharrt darauf, dass die Kirche nicht so bleiben dürfe, wie sie ist. Ihm sei dabei schon klar, dass dies mit weniger Kirchenpersonal und niedrigeren Pfarrergehältern verbunden sei.
Eine düstere Prognose
Dass seine Kirche genug Kraft für Veränderungen hat, bezweifelt der erfahrene Pfarrer. Es fehle der Innovationsdruck, der Unternehmen zur Umkehr zwinge, wenn die Nachfrage der Kunden sinkt und die Kosten steigen. “Genug Geld ist ja da.” Löhrs Prognose ist in dieser Situation hoffnungsvoll-düster: “Es werden Zeiten kommen, in denen die Kirche neue Wege gehen muss.”
Ins Gericht geht er dabei direkt mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Dieser bezeichnet das Kirchensteuersystem stets als Segen, damit die Kirche ihren Auftrag erfüllen könne. Für Löhr drängt sich da die Frage auf: Warum verliert die Landeskirche dann in großem Umfang Mitglieder, wenn der Auftrag doch lautet, mehr Menschen für die gute Nachricht von Jesus zu gewinnen?

Dienstag, 24. März 2015

Arme reiche Kirche

Resümee nach 40 Jahren im Kirchendienst

von Hans Löhr, Pfr. i.R.

So viel Selbstbewusstsein muss sein: Weder Apple noch Google, weder Mercedes noch BMW noch sonst irgendein Konzern haben ein so gutes Angebot wie die Kirche: Glaube, Hoffnung, Liebe. Aber auch so viel Selbstkritik muss sein: Kaum ein Anbieter hat solche Probleme, die Menschen von der Qualität und dem Nutzen seines Angebots zu überzeugen wie die Kirche. Über 30.000 Evangelische haben 2014 die Kirche in Bayern verlassen. So viele wie nie zuvor. Und von denen, die noch bleiben sind es weniger als 20 Prozent, die das Angebot überhaupt kennen und nutzen. Der an der Bibel und den reformatorischen Bekenntnissen orientierte Glaube, zu dem die Kirche einladen soll, wird von über 80 Prozent ihrer Mitglieder nicht mehr geteilt. Andererseits hat die Evangelische Kirche in Deutschland allein 2014 über fünftausend Millionen Euro an Kirchensteuern eingenommen. 2015 werden es voraussichtlich noch mehr sein. Ebenfalls so viel wie nie zuvor.

Allein diese Zahlen zeigen, dass da etwas nicht stimmen kann. Die Kirche, so hat man schon in den 1990er Jahren durch Umfragen festgestellt, hat ein massives Problem mit dem Glauben, nicht nur bei ihren Mitgliedern, sondern auch bei vielen ihrer Mitarbeitenden. Aber sie hat auch das Geld, trotzdem so weitermachen zu können wie bisher als gäbe es dieses Problem nicht. Der Kirchensteuer sei Dank! Bequemer kommt keine andere Kirche in der Welt an das viele Geld als in Deutschland und Skandinavien. Aber tut denn die Kirche nicht auch viel Gutes besonders im Bereich der Diakonie? Doch, das tut sie mit dem Geld des Staates, mit dem Geld aller Steuerzahler ob Christen, Muslime oder Atheisten, das sie zusätzlich (!) noch für soziale und diakonische Aufgaben bekommt. Das tun aber auch andere Träger und Verbände wie die Arbeiterwohlfahrt und das Rote Kreuz. Was aber nur die Kirche tun kann, ist, den „Glauben“ zu wecken und zu stärken, „der durch die Liebe tätig ist“.
Am deutlichsten zeigt sich das Problem mit dem Glauben an den Zahlen der Gottesdienstbesucher. Der Schwund hat längst die Landgemeinden erreicht auch in Westmittelfranken, das traditionell als das evangelische Kernland in Bayern angesehen wird. Gerade mal drei bis fünf Prozent der Gemeindeglieder auf dem Land besuchen an normalen Sonntagen einen traditionellen Kirchengottesdienst. In den Städten sind es nur noch zwischen einem und zwei Prozent. Anders gesagt, 95 bis 99 Prozent bleiben zu Hause. Das Bild wird nicht viel freundlicher, wenn man noch die Kindergottesdienste hinzugerechnet. Im Gegenteil. Nur noch in 720 von 1541 Kirchengemeinden in Bayern findet ein Kindergottesdienst statt oft mit nur wenigen Kindern und von mäßiger Qualität. Die zeitgleiche  „Sendung mit der Maus“ ist für die meisten Kinder einfach attraktiver. Dabei gehört zu den Kernaufgaben von Kirche, gerade den Kindern eine Heimat für ihren Glauben zu bieten, sie dabei zu begleiten, zu ermutigen und zu stärken. Außerdem sind sie die Zukunft der Kirche. Nur wie soll eine Kirche Zukunft haben, wenn sie die Kinder kaum noch erreicht? Der Religionsunterricht gleicht dieses Defizit nicht aus, da er hauptsächlich der Wissensvermittlung dient.
Auf diesem Hintergrund verwundern die Worte, die der Vorgänger im Amt des Landesbischofs, Dr. Johannes Friedrich, zu seinem Nachfolger, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, gesagt hat: »Ich übergebe dir eine Kirche in sehr gutem Zustand.“ Nun ja, es kommt wohl darauf an, welcher Aspekt von Kirche gemeint ist. Die Einnahmen sind tatsächlich in sehr gutem Zustand ebenso die Organisation des Kirchenbetriebs in der bayerischen Landeskirche. Viele kirchliche Gebäude sind renoviert. Es wurden viele Arbeitsplätze geschaffen, die Rechtssammlung der Kirche mit ihren zahllosen Gesetzen und Vorschriften platzt aus allen Nähten und es gibt kaum Skandale. Doch das macht Kirche nicht aus. In allen diesen Bereichen sind andere Organisationen auch gut.

Bleiben wir beim Thema Gottesdienst. Die Landessynode hat sich 2013 in Nürnberg damit befasst. Dabei kamen auch zeitgemäße Gottesdienstformen in den Blick. Doch bei der Formulierung des Ergebnisses hat die Synodalen der Mut verlassen. Nun heißt es: Der traditionelle Kirchengottesdienst sei das „Standbein“. Ein hin und wieder angebotener, alternativer und zeitgemäßer Gottesdienst sei  das „Spielbein“. Dieser dem Fußball entlehnte Vergleich hinkt leider im wahrsten Sinn des Wortes, weil das „Standbein“ an erheblichen Durchblutungsstörungen leidet und kein Trainer der Welt einen Spieler mit einem solchen Bein aufstellen würde. Und schließlich ist es das Spielbein, das die Tore schießt. Das gilt auch für den Gottesdienst. Wo in einzelnen Gemeinden regelmäßig ein professionell gemachter, zeitgemäßer Gottesdienst angeboten wird, schnellen die Teilnehmerzahlen in die Höhe. Fünfmal mehr Besucher als sonst sind keine Seltenheit. Das zeigt, dass das Interesse an einem Gottesdienst, der die Bedürfnisse der Besucher aufnimmt, durchaus vorhanden ist.
Gleiches gilt auch für innovative Kindergottesdienste. Mit viel Liebe, Fantasie, Aufwand und Kreativität lassen sich Kinder auch heute noch begeistern und vom Fernseher und der Spielekonsole weg locken. Doch Gemeinden, die solche Angebote machen, orientieren sich bewusst nicht an den überkommenen Konzepten der Landeskirche, sondern gehen eigene Wege.

Für eine Übergangszeit können der traditionelle und der zeitgemäße Gottesdienst durchaus nebeneinander bestehen, auch wenn dieses doppelte Angebot für die Mitarbeitenden einer Gemeinde eine große Herausforderung darstellt. Die Realität aber ist, dass wer zum Beispiel in Nürnberg am Sonntagvormittag einen zeitgemäßen Gottesdienst besuchen will am ehesten bei den Freikirchen fündig wird. Traditionelle Gottesdienste mit geringen Besucherzahlen werden hingegen zuhauf angeboten und zu erheblichen Kosten, wenn man den finanziellen Gesamtaufwand für einen Gottesdienst auf jeden einzelnen Besucher umrechnet. Aber, wie gesagt, Geld ist ja da.
Damit fehlt der Innovationsdruck, der Betriebe und Unternehmen zwingt, Änderungen vorzunehmen, wenn die Nachfrage der Kunden sinkt und die Kosten steigen. Nahezu alle anderen Kirchen in der Welt außerhalb Deutschlands teilen von Anbeginn die wirtschaftlichen Unsicherheiten und Herausforderungen, vor die auch ihre Mitglieder gestellt sind. Doch auch der jetzige Landesbischof verteidigt vehement das deutsche Kirchensteuersystem mit Verweis auf seine Erfahrungen in den Kirchen der USA, die auf die direkte Finanzierung durch ihre Mitglieder angewiesen sind. Er sagt, dass die Kirchensteuer „ein Segen“ sei, damit Kirche ihren Auftrag erfüllen könne. Da drängen sich drei Fragen auf: Warum verliert die bayerische Landeskirche trotzdem und in großem Umfang Mitglieder, wenn der Auftrag doch lautet, Menschen für die gute Nachricht von Jesus Christus zu gewinnen? Warum hat sie dieses gravierende Glaubensproblem? Und warum haben bei den angeblichen Vorzügen nicht auch alle anderen Kirchen in der Welt längst das Kirchensteuersystem samt seinem Segen für sich entdeckt?  
Wie gesagt, das Geld ist ja da. Allerdings dürfen nicht die Gemeinden die Beiträge ihrer Mitglieder vereinnahmen. Sie werden zentral an die Kirchenleitung abgeführt, von wo ein Teil davon den Gemeinden unabhängig von ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit zugewiesen wird. Eine Auskunft darüber, wie viel Kirchensteuerertrag in einer Gemeinde zusammenkommt, wird nicht erteilt. Die Kirchensteuern, die aus den Gemeinden kommen, werden auch dafür verwendet, die zentralen Verwaltungsstellen in den Dekanatsbezirken und in München ständig auszubauen. Begründet wird dies damit, dass die Kirchengemeinden von Verwaltungsarbeit entlastet würden. Tatsächlich nehmen aber die Bestimmungen ständig zu, die zu steigender Verwaltungsarbeit führen. Außerdem geht mit der Verlagerung von Kompetenzen der Kirchengemeinden an zentrale Verwaltungsstellen ein schleichender Verlust an Selbstständigkeit und Selbstverantwortung einher. Die Gemeindediakonie, die Gabenkassenverwaltung, die Mitgliederverwaltung, die Verwaltung der Liegenschaften – alles wurde zentralisiert. Der neu geschaffene, zentrale „Pfarrhausfond“ zum Beispiel hilft zwar den Gemeinden, Renovierungs- und Baumaßnahmen leichter zu finanzieren. Gleichzeitig geht aber die Verantwortung der Gemeindeglieder für ‚ihr‘ Pfarrhaus und damit auch die Identifikation verloren. Wofür früher die Gemeindeglieder um Unterstützung gebeten und dazu überzeugt werden mussten, reicht jetzt ein Antrag an die jeweilige kirchliche Baubehörde. Allerdings führt das auch zu Kuriositäten, dass zum Beispiel nur die Schauseiten eines Pfarrhauses gestrichen werden, die nicht einsehbaren Fassaden-Wände aber weiterhin abblättern dürfen. Von der Landeskirchenzentrale in München ist derartiges nicht bekannt.

Wo bleibt bei alledem die Theologie? Wo bleiben die Theologieprofessoren an den Hochschulen und in den Fakultäten? Sie kosten die Steuerzahler viel Geld. Aber ihr Beitrag zur Lösung der gravierenden Probleme, mit der die Kirche zu kämpfen hat, ist kaum wahrnehmbar. Da sich die meisten von ihnen am bestehenden Zustand und am Hergebrachten orientieren, sind sie Teil des Problems und nicht der Lösung. Doch als „heilige Kühe“ der Landeskirche sind sie unantastbar, auch wenn sie kaum etwas zum Glaubensleben der Gemeindeglieder und zur Erneuerung der Kirche beitragen. Gerade aber die Ausbildung des Pfarrernachwuchses bedürfte einer grundlegenden Reform, aus der hervorgeht, was für die Ausbildung zum Pfarrdienst heute Vorrang haben muss und was demgegenüber nachrangig ist. Auch die Damen und Herren Theologieprofessoren sind, wie auch der Landesbischof, die Regionalbischöfe, die Oberkirchenräte, Dekane, das große Heer der nichttheologischen Angestellten und nicht zuletzt die Pfarrerinnen und Pfarrer Dienstleister der Gemeinden und nicht ihre Herren. Jesus sagt dazu: »Die Herrscher der Völker, unterdrücken ihre Leute und lassen sie ihre Macht spüren. Bei euch muss es anders sein! Wer von euch groß sein will, soll euer Diener sein.« (Markus 10)

Was also wäre zu tun? Eine unvollständige und auch verbesserungsbedürftige Liste könnte so aussehen:
1. Das Glaubensthema muss wieder in den Mittelpunkt aller kirchlichen Tätigkeiten gerückt werden. Alles andere muss sich dem unterordnen. Dabei geht es nicht um bürgerliche Moral oder säkulare Sozialethik. Es geht um die persönliche Glaubensbeziehung zwischen Gott und dem Einzelnen, wie sie Jesus gelebt und allen, die ihm nachfolgen wollen, ans Herz gelegt hat. Ein solcher Glaube trägt, ermutigt und heilt auch heute. Er fordert aber auch heraus, dass sich Christen in diese Welt einbringen und sich im Großen wie im Kleinen für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.
2. Die Angebote von Kirche bzw. Kirchengemeinden müssen sich an den Bedürfnissen und Interessen der Menschen von heute orientieren und nicht an denen der Pfarrerinnen und Pfarrer. Maßgeblich ist die Frage, die Jesus gestellt hat: »Was willst du, dass ich dir tun soll?«
3. Menschen heute erwarten allgemein von Angeboten gute Qualität. Kirche hat das beste Angebot. Dem muss auch beste Qualität bei der Vermittlung und Darbietung entsprechen.
4. Evangelische Gemeinden müssen sich wieder mehr Selbstverantwortung zutrauen und sie sich auch nehmen. Sie sollten die finanziellen Beiträge ihrer Mitglieder selbst erheben und selbst darüber entscheiden, wofür sie verwendet werden sollen. Sie sollten auch für Personal und Liegenschaften Selbstverantwortung übernehmen und entscheiden, welche Hauptamtlichen und welche Gebäude sie sich noch leisten können.
5. Damit einhergehend muss der Zentralismus und die schleichende Hierarchisierung in der Kirche der Reformation wieder zurückgedrängt werden.
6. Die evangelische Kirche darf sich über ihren tatsächlichen Zustand nicht länger in den Kirchensteuerbeutel lügen. Sie muss akzeptieren, dass der gegenwärtige Kirchenbetrieb ohne die Kirchensteuer nicht mehr funktioniert und das ganze System wie ein Kartenhaus zusammenbrechen wird, wenn dieses Finanzierungsmodell aus welchen Gründen auch immer entfallen wird.
7. Die Kirchengemeinden und ihre Mitglieder dürfen nicht darauf hoffen, dass die gegenwärtigen Probleme der Kirche mit Reförmchen von oben behoben werden können. Notwendige Veränderungen müssen in den Ortsgemeinden, in den Kirchenvorständen und bei den Pfarrerinnen und Pfarrern beginnen.
8. Die völlige Trennung von Kirche und Staat muss, wie in den meisten anderen Ländern, auch in unserem Land angestrebt werden. Es ist besser, wenn die Kirche von sich aus dieses Angebot macht, als wenn ihr die Trennung eines Tages aufgezwungen wird.

Angesichts der vielen Kirchenaustritte sprach der Landesbischof kürzlich davon, dass unsere evangelische Kirche wieder eine „Erweckung“ brauche, dass also sich viele Menschen in unserem Land, die der Kirche gegenüber gleichgültig bis abweisend sind, sich für den Glauben und die Ortsgemeinde neu begeistern lassen. Leider kann man eine solche „Erweckung“ nicht einfach machen. Man muss dafür mit Geduld und Hingabe beten und dann für dieses Gebet mit Geduld, Hingabe und Professionalität arbeiten.

So viel Selbstbewusstsein muss sein: Weder Apple noch Google, weder Mercedes noch BMW noch sonst irgendein Konzern haben ein so gutes Angebot wie die Kirche: Glaube, Hoffnung, Liebe. Der Auftrag der Kirche ist es, dieses Angebot den Menschen bekannt zu machen und sie zu einem sinnvollen und erfüllten Leben einzuladen. Doch dazu muss sich die Kirche grundlegend erneuern. Wie sonst will man in zwei Jahren guten Gewissens 500 Jahre Reformation feiern?


Hans Löhr, Pfarrer i.R., zuvor Gemeindepfarrer in Röthenbach an der Pegnitz, Studentenpfarrer an der Universität München, Leiter des evangelischen Münchenprogramms eMp und zuletzt Gemeindepfarrer in der Pfarrei Sommersdorf-Burgoberbach und Thann.

Donnerstag, 15. Januar 2015

»Ich war Pfarrer aus Leidenschaft«

Abschiedsworte von Hans Löhr 
Ungekürzter Artikel für Gemeindebrief der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden Sommersdorf-Burgoberbach und Thann vom 15.1.2015

Fast 40 Jahre war ich nun im Kirchendienst als Vikar in Erlangen, als Pfarrer auf der zweiten Pfarrstelle in Röthenbach an der Pegnitz, als geschäftsführender Studentenpfarrer an der Universität München, als Leiter der Geschäftsstelle „Evangelisches Münchenprogramm“ und schließlich die letzten 13 1/2  Jahre als Pfarrer in der Pfarrei Sommersdorf-Burgoberbach und Thann.
Nun also geht mein aktiver Pfarrdienst am 28. Februar zu Ende und ab 1. März bin ich Rentner. Grund genug, auf das Berufsleben zurück zu blicken und Bilanz zu ziehen. Allerdings werde ich nicht komplett von der Bildfläche der Gemeinde verschwinden, da meine Frau nun meine halbe Stelle zusätzlich übernommen hat und sich über die eine oder andere Unterstützung freut.
Wie jeder Pfarrer und jede Pfarrerin habe ich eine Vielzahl von Menschen getauft, in der Schule unterrichtet, konfirmiert, getraut und beerdigt. Hinzu kommen zahllose Besuche und Gottesdienste an Sonntagen und bei verschiedenen Anlässen. Das Schöne an diesem Beruf ist, dass man viel mit Menschen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen sozialen Schichten zu tun hat.
Doch dazu gehören auch schmerzliche Erlebnisse wie jene furchtbaren  Tage im August 2006, als ein Mann im Nachbardorf seine Frau, seine Mutter seine beiden Kinder und zuletzt sich selbst erstach, und ich mit meinem katholischen Kollegen die Angehörigen begleitet und die fünf Toten beerdigt habe.

Neuerungen
Meiner Frau und mir lag von Anfang an daran, die Gemeinde nicht nur zu verwalten, sondern die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen und mit neuen Angeboten zu reagieren. Wir wollten und wollen den Niedergang der Kirche nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen und dabei monatlich unser festes Gehalt einstreichen, das man als Pfarrer unabhängig davon bekommt, was man leistet. Deshalb haben wir 2004 zunächst im Bereich Kindergottesdienst mit den „Sonntagskindern“ ein neues Projekt begonnen, das bis heute gut angenommen wird. Ermutigt durch diesen Erfolg haben wir gemeinsam mit den Kirchenvorständen weitere Neuerungen eingeführt allen voran den „Lichtblickgottesdienst“ für die große Zahl von Menschen, die nach wie vor Interesse am Glauben haben, aber mit den traditionellen Kirchengottesdiensten nichts mehr anfangen können.
Nach intensiven Vorüberlegungen starteten wir im Jahr 2008 diesen alternativen Gottesdienst in der Schulaula in Burgoberbach mit inzwischen 300 Besuchern aus der Region.

Unsere Zukunft: Die Kinder
Gleichzeitig wurden die Angebote für Kinder erweitert. Nun gibt es auch noch den Wichtel- und Kinderlichtblick, die Jungschar, ein Angebot für Teens und nach wie vor die Wichtelgottesdienste in der Kirche.
Die Zukunft der Gemeinde sind nun mal die Kinder. Wenn man sie bis zu ihrem 13. Lebensjahr nicht für den Glauben begeistern kann, sind sie in aller Regel für die Gemeinde und die Kirche verloren.

Traditionelle Gemeindearbeit
Nach wie vor gibt es auch das traditionelle Gottesdienstangebot in den Kirchen in Sommersdorf und in Thann. Es werden Gemeindeglieder bei Geburtstagen und im Krankenhaus besucht, auch die Seniorenarbeit und der Diakonieverein werden  fortgeführt.
Auch die Kontakte zu unseren Partnern in Tansania sind weiterhin lebendig. Seit vielen Jahren bekommen wir erfreulich viele Spenden für die Waisenkinder, die wir dort unterstützen. Wir haben diese Arbeit unseres Vorgängers, Pfarrer Hansjörg Meyer, gern fortgesetzt.
Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit war die Öffentlichkeitsarbeit. Der Gemeindebrief wurde komplett überarbeitet und ein Internetauftritt der Pfarrei installiert.

Tägliche Glaubensimpulse
Unsere Glaubensimpulse  „Nachdenken über die Bibel“ bekommen täglich ca. 170 Interessierte über E-Mail oder, wie in Thann, in die Briefkästen. Dazu legen wir das tägliche Losungswort und den Lehrtext aus und fügen ein Gebet an. Dahinter steht das Ergebnis einer weltweiten Umfrage von Willow Creek, dass nichts das Glaubenswachstum eines Menschen so fördert wie die Beschäftigung mit der Bibel. Weltweit werden unsere Losungsauslegungen auch im Internet-Blog gelesen. Die inzwischen 1250 Auslegungen wurden seit Mai 2010 bereits 127.000 Mal aufgerufen: www.glaubenswachstum.blogspot.de

Die Ehrenamtlichen liegen uns besonders am Herzen. Ohne sie könnten wir den größten Teil unserer Arbeit nicht leisten. Als Dankeschön bekommen die Mitarbeitenden in Leitungspositionen die besten Fortbildungsangebote, die wir in Deutschland finden können.
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich all denen danken, die mich in meiner Arbeit unterstützt haben: den Sekretärinnen und Kollegen, Mesnerinnen und Organisten, den Mitarbeitenden im Kirchengemeindeamt, den Ehrenamtlichen und meiner Frau.

Gemeindemotto
Natürlich freuen wir uns über den verhältnismäßig großen Zuspruch für unsere Arbeit. Aber auch wir leiden nach wie vor unter einem Desinteresse bei der Mehrheit unserer Gemeindeglieder. Wir erreichen viele mit dem einen oder anderen Angebot. Aber nur der kleinere Teil erlebt, was das Motto unserer Arbeit ist:
Die Gemeinde ist der Ort, wo dein Glaube ein Zuhause hat und, so füge ich mit Bill Hybels hinzu: Eine lebendige Ortsgemeinde ist die Hoffnung der Welt.
Darum ging es mir vor allem in den letzten 20 Jahren und wird es meiner Frau auch in Zukunft gehen.

Daseinsberechtigung für Christengemeinde
Unseres Erachtens hat eine Christengemeinde nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie Menschen ermutigt
• die persönliche Beziehung zu Gott / Jesus zu vertiefen (Glaubenswachstum),
• für Notleidende in der Nähe und der Ferne ein Herz zu haben und
• für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten.
Nur so hat der Glaube und das Leben Sinn. Anders gesagt: Die Taufe ist wertlos, wenn nicht der Glaube hinzu kommt, der durch die Liebe tätig wird.

Thema Frieden
Seit meiner Jugendzeit habe ich mich gegen Krieg in jeglicher Form eingesetzt. Zunächst ging es gegen den Vietnamkrieg, in dem die USA die sogenannten westlichen Werte wie die Menschenrechte oder das Selbstbestimmungsrecht mit einer äußerst brutalen Kriegführung gegen die Zivilbevölkerung verraten haben.
Später war ich in der Friedensbewegung gegen die atomare Bedrohung aktiv. In den neunziger Jahren leitete ich die „Münchner Friedensrunde für Kroaten, Serben, Muslime und Deutsche“. Damals unterstützten wir die Balkan-Flüchtlinge und halfen mit humanitären Aktionen in den vom jugoslawischen Bürgerkrieg zerstörten Regionen. Während des ersten Golfkriegs lebte einige Zeit ein französischer Deserteur in unserer Familie. Heute wehre ich mich gegen die US-Kampfmaschinen über unseren Köpfen, die die Bewohner unserer Dörfern als Zielscheiben nehmen, um so den Krieg zu üben.

Thema Terrorismus
In meiner Zeit als Studentenpfarrer hat mich auch das Thema Terrorismus beschäftigt. Auf Wunsch einer Politikerin besuchte ich einen Gefangenen in Straubing, der am Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm beteiligt war. Gleichzeitig initiierte unsere Studentengemeinde sogenannte „Konsultationen zum Terrorismus“ in der evangelischen Akademie Tutzing mit dem Ziel, den RAF-Terror in der Bundesrepublik zu beenden. Dabei kamen zum ersten Mal alle an diesem Problem Beteiligten zu nichtöffentlichen Gesprächen zusammen: Vertreter des Staates wie die Bundesanwaltschaft, das Bundespräsidialamt, Justizminister der Länder, Gefängnisdirektoren, Verfassungsschutz, Rechtsanwälte, Angehörige von Terroropfern und von inhaftierten wie flüchtigen Terroristen.

Kirchenaustritte ohne Ende
In den letzten 40 Jahren habe ich aber auch miterlebt, wie die Kirchenbindung in der Bevölkerung spürbar nachgelassen hat, die evangelischen Traditionen abgebrochen und die Kirchenaustritte in schwindelerregende Höhen geklettert sind.
Von 1970, als ich mein Theologiestudium in Berlin aufgenommen habe, bis heute sind allein in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 600.000 Evangelische aus der Kirche ausgetreten. Das sind mehr Menschen als die Stadt Nürnberg Einwohner hat oder ein knappes Viertel unserer gegenwärtigen zweieinhalb Millionen Mitglieder.
Zunächst habe ich das wie die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen als eine Zeiterscheinung hingenommen, gegen die man wenig ausrichten könne. Aber je länger desto mehr ist mir klar geworden, dass wir Kirchenleute einen großen Anteil daran haben. Habe ich in der ersten Hälfte meines Berufslebens unsere evangelisch-lutherische Volkskirche noch verteidigt, bin ich in der zweiten Hälfte zunehmend kirchenkritisch geworden. 
Neben dem durch gesellschaftliche Ursachen bedingten Bedeutungsverlust der Kirchen in Westeuropa kommen eigene Fehler hinzu, besonders das Versagen bei der Glaubensvermittlung. In einem Satz: Unsere evangelische Kirche in Bayern wird dem Auftrag Jesu nicht gerecht, Menschen für das Evangelium zu gewinnen und anzuleiten, wie man als Christ lebt und glaubt. Stattdessen verliert sie ihre Mitglieder am laufenden Band. Stattdessen herrscht bei vielen, die noch in unserer Kirche sind, eine erschreckende Unkenntnis von Gott und das Missverständnis, es ginge im Glauben um die bürgerliche Moral. Viele Jahrzehnte lang hat man den Menschen eingetrichtert, was zu glauben ist und was man tun und lassen muss. Aber man hat sie weithin allein gelassen mit der Frage wie das denn mit dem Glauben geht, wie ich im Alltag damit zurecht komme und wie ich das Glück, die Schönheit und Freiheit des Glaubens erleben kann.

McKinsey in der Kirche
Es waren evangelische Christen der Beratungsfirma McKinsey die uns im Dekanatsbezirk München 1995 auf diese Missstände aufmerksam gemacht haben. Sie boten eine unentgeltliche Analyse und Beratung mit dem Ziel, die evangelische Kirche in München für anstehende Herausforderungen zukunftsfähig zu machen. Das Ergebnis der aufwendigen Untersuchung lautete: Die Kirche hat ein Problem mit dem Glauben. Dieses Thema muss neu in den Mittelpunkt ihres Handelns gerückt werden.
Daraufhin wurden viele Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet und manche davon auch umgesetzt. So gibt es zum Beispiel seitdem stellvertretende Dekaninnen und Dekane. Ich selbst habe damals mit einem kleinen Mitarbeiterstab eine Geschäftsstelle aufgebaut, die die Vorschläge des „evangelischen Münchenprogramms“ in die Praxis umsetzen sollte. Die Zusammenarbeit mit einzelnen Gemeinden führte zu erfreulichen Ergebnissen. Andere Gemeinden blockierten. Die Kirchenleitung selbst verlor zunehmend das Interesse an diesem Programm. Es hätte vor allem den Dekanen zu viel Veränderung abverlangt. Ich selbst war wohl zu ungeduldig und machte vermutlich zu viel Druck. So wurde das München-Programm wieder sang- und klanglos eingestellt. Immerhin konnten meine Frau und ich wichtige Teile davon in unseren Gemeinden umsetzten. Der größte Fehler des Münchenprogramms war, dass die Veränderung von der Kirchenspitze aus gehen und gemanaged werden sollte so wie eben Veränderungsprozesse in der Wirtschaft funktionieren. Doch das ist ein Irrtum. Meine Erfahrungen in der Landes- und EKD-Synode sprechen dagegen.

Kirchensteuer-Flut
Unser größtes Problem als Kirche ist das viele Geld. 2014 wurde so viel Kirchensteuer eingenommen wie nie zuvor, etwas über fünf Milliarden Euro in Deutschland. Gleichzeitig haben 2014 so viele Menschen die evangelische Kirche verlassen wie nie zuvor. Allein in Bayern waren es 2014 etwa 30.000 Evangelische.
Eigentlich müssten, angefangen vom Landesbischof über die Synode bis hin zu den Dekanen, Pfarrern und Kirchenvorständen überall die Alarmglocken schrillen. Doch man hört höchstens ein leises Bimmeln, weil das viele Geld alles erstickt.
Statt sich mit den zentralen Fragen des Glaubens und mit dem brennenden Problem des Mitgliederverlusts zu befassen, wird in der Landessynode viel Zeit und damit auch Geld und Energie verbraucht, um zum Beispiel Regelungen zu schaffen, dass homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer in einem Pfarrhaus zusammenleben können.

Das Bad des Dagobert Duck
Mit dem vielen Steuergeld, in dem unsere Kirche badet wie Dagobert Duck in seinem Geldspeicher, kann man viele Leute anstellen, Häuser bauen, kaufen und renovieren, neue Sonderpfarrstellen schaffen, Projekte finanzieren, Agenden drucken, Dienstwagen fahren und die Gräber der Propheten tünchen.
Kindergärten und soziale Einrichtungen werden damit nur zu einem geringen Teil finanziert. Das Geld dafür kommt vom Staat und damit von allen Steuerzahlern ob sie nun Mitglied der Kirche sind oder nicht. Auch für die Restaurierung unserer Orgel in Thann bekommen wir von der Landeskirche keinen müden Cent.
Aber mit dem Geld kann man einen riesigen Kirchenapparat unterhalten, der sich seiner Bedeutung ständig selbst versichert und über den Ortsgemeinden schwebt. Zusätzlich  lähmt das Geld jeden Veränderungsimpuls, weil ja für schöne Fassaden immer genug da ist. Bin ich ungerecht? Ja!

Was hat das Ganze mit Jesus zu tun?
Nur, so frage ich, was hat das Ganze noch mit Jesus zu tun, jenem armen Wanderlehrer, der im Gestank eines Viehstalls zur Welt kam, ohne jeglichen Besitz lebte, seine Jünger ohne Geldbeutel aussandte und schließlich auf Betreiben der Bischöfe, Theologieprofessoren, Dekane und Pfarrer seiner Zeit am Kreuz hingerichtet wurde?
Niemand verlangt, dass alle, die von der Kirche leben, sofort am Bettelstab gehen sollen. Worum es geht, ist die große Umorientierung hin zu mehr Selbstverantwortung der Gemeindeglieder im Sinn des protestantischen ‚Priestertums aller Gläubigen‘  weg vom Tanz ums goldene Kirchensteuer-Kalb, hin zu den Menschen und ihren Seelen und zum wichtigsten Gebot: Gott und die Mitmenschen zu lieben wie sich selbst. Diese Umorientierung aber kommt nicht von oben. Sie muss aus den Gemeinden, sie muss von den Gläubigen selbst kommen.

Fröhlicher Partisan
Wenn ich die Zeit meines Studiums hinzurechne, waren es 45 interessante, aufregende und trotz mancher Enttäuschungen doch auch erfüllte Jahre. Ich habe gekämpft, habe ausgeteilt und musste einstecken. Habe mich geirrt und dazugelernt. Bin schuldig geworden und habe Vergebung erfahren. Habe gelitten und wurde geheilt. Wurde gehasst und geliebt. Ich war Pfarrer aus Leidenschaft.
Und ich weiß, dass ich meiner evangelisch-lutherischen Landeskirche viel zu verdanken habe. Deshalb verdamme ich sie nicht trotz aller Schwächen und Missstände. Aber damit meine Kirche dem Auftrag ihres Herrn wieder gerecht wird, darf sie nicht bleiben wie sie ist, sondern muss sich grundlegend ändern. Von sich aus hat sie vermutlich nicht die Kraft dazu. Aber es werden auch andere Zeiten kommen, in denen ihr nichts mehr anderes übrig bleibt.


Bis dahin macht meine Frau mit den Kirchenvorständen unbeirrt weiter, eine an Jesus orientierte, menschenfreundliche Gemeinde zu bauen. Bis dahin ziehe ich meine Straße weiter als »Fröhlicher Partisan des lieben Gottes« (Karl Barth) solange es ihm gefällt.