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Freitag, 24. Oktober 2014

Plädoyer für eine ehrliche Kirche

von Fritz Schwarz und Christian A. Schwarz

Die Aufgabe der Kirche für die Ekklesia 1. Der Illusionismus der Kirche

(61) Verheißungen des Neuen Testaments gelten nicht der Kirche, sondern der Ekklesia.

Der Illusion des muss der Kirche beginnt schon da, wo sie für sich Verheißungen des Neuen Testaments in Anspruch nimmt, die nicht ihr, sondern der Ekklesia gelten. Diese Verwechslung der Ebenen könnte an mannigfachen Beispielen dargestellt werden. Wohin diese Reklamierung Neutestamentliche Verheißungen für die Kirche in der Praxis führen kann, soll nur an einem Beispiel verdeutlicht werden, dass wir das Verhältnis von Kirche und Ekklesia grundlegende Bedeutung hat.
Unter der bezeichnenden Überschrift „Die Siegesgewissheit der Kirche” schreibt Walter Kreck über die Kirche: „Ihrer Niedrigkeit und Hilflosigkeit, die sie in dieser Welt allzu oft ohnmächtig erscheinen lässt, steht die Verheißung entgegen, die in dieser Welt keiner anderen Größe im Neuen Testament zugesprochen wird: dass die Pforten der „Hölle” sie nicht überwältigen werden, so dass es mit Recht von ihr heißt, sie werde beständig bleiben (perpetua mansura).“
Auf diesem Hintergrund ist es dann völlig konsequent, wenn der theologische Ausschuss der evangelischen Kirche der Union in Auseinandersetzung mit der dritten Barmer These formuliert: „die Kirche steht nicht unter dem Gesetz der Selbstverwirklichung, als habe sie zu tun, was allein ihr Herr tun kann und tut: das Gründen und Erhalten seiner Kirche. Die Angst um ihre Existenz, die Sorge um ihre Zukunft kann grundsätzlich nicht ihr Thema sein.”
Aber nun hat doch die Kirche ganz offensichtlich Angst um ihre Existenz und sorgt sich um ihre Zukunft. Wie sehr das grundsätzliche Thema ist, zeigt die Diskussion um die Kirchenstabilisierung in Eindeutigkeit. Es drängt sich also die Frage auf: Darf sich die Kirche nun um ihre Stabilisierung kümmern oder nicht?
Die Beantwortung dieser Frage hängt einzig und allein davon ab, ob man die Volkskirche unter zweckrationalen Gesichtspunkten für erhaltenswert hält oder nicht. Wenn man der Meinung ist, dass sie es nicht wert ist, erhalten zu werden, braucht man sich selbstverständlich auch nicht um ihre Erhaltung zu kümmern. Wenn man sie allerdings für erhaltenswert hält, dann sollte man auch mutig und offensiv für ihre Erhaltung sorgen. Aber wie man auch immer diese Frage beantworten mag: deutlich ist, dass die Verheißungen des neuen Testamentes überhaupt nichts mit dem Problem der Kirchenstabilisierung zu tun haben. Der Herr hat den volkskirchlichen Apparat nicht gegründet und auch nicht zugesagt, dass er ihn erhalten wird. Wollen wir diese Kirche erhalten, so muss das schon unser Thema sein.
Tatsächlich aber wird die Frage nach der Kirchenstabilisierung erstaunlich halbherzig angegangen. Von den klaren Programmen, wie man auf breiter Ebene diese Situation zu bewältigen denkt, vermag man weit und breit nichts zu entdecken. Auch wenn wir uns dagegen gewehrt haben, solche Programme zur Kirchenstabilisierung mit Gemeindeaufbau zu verwechseln, wäre doch prinzipiell gegen sie gar nichts einzuwenden, wenn sie nur engagiert betrieben würden. Wenn man die Volkskirche wirklich für erhaltenswert hält, dann hätten doch Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter längst motiviert und angeleitet werden müssen, die anstehenden Aufgaben in Entschlossenheit anzupacken.
Aber noch nicht einmal dazu scheint die Kirche wirklich bereit und fähig zu sein. Das mag nicht zuletzt auch daran liegen, dass sich hier zwar einerseits ein echtes Problembewusstsein hat, andererseits sich aber in die Illusion flüchtet, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden. Indem man die Verheißung des Perpetua Mansura auf die Kirche bezieht, führt das zu dem paradoxen Tatbestand, dass man zwar den Wert der Volkskirche lautstark beschwert, aber nicht ernstlich und engagiert für ihre Erhaltung arbeitet. Indem man die Erhaltung der Volkskirche an den „Herren der Kirche” abschiebt, schiebt man ihm eine Aufgabe zu, für die nun wirklich nicht sein Herz schlägt. Der Herr hat nicht die Erhaltung der Kircheninstitutionen zugesagt; seine Verheißung gilt vielmehr der Ekklesia. Indem die Kirche entschlossen daran arbeitet, dass in ihr Ekklesia Ereignis wird, werden zwar nicht ihre eigenen existenzsorgen gegenstandslos. Sie kann aber wissen, dass sie mit einer solchen Arbeit teilhat an einem Werk, dem die göttliche Verheißung des Perpetua Mansura war in der Tat gilt.
(62) Kirche kann niemals Ekklesia werden.
Ziel des Gemeindeaufbaus ist es, das möglichst viele Menschen in der Kirche gliedert der Ekklesia werden. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sich dadurch die Kircheninstitutionen in Ekklesia verwandeln würde. Ekklesia lebt immer in einem institutionellen Rahmen, der niemals mit dir selbst identifiziert werden darf. Deshalb ist es weder möglich, noch könnte es irgendwie als erstrebenswert erscheinen, dass aus der Kircheninstitutionen Ekklesia wird. Die Frage nach der „Erneuerung der Kirche”, sofern sie diese Vorstellung impliziert, ist deshalb falsch gestellt. Mit einer solchen Forderung wird man letztlich wieder dem Wesen der Institution noch dem Wesen der Ekklesia gerecht. Die Institution gebärdet sich mit ihrem Recht und ihren Ordnungen gerne theologisch und geistlich, um auch auf diesem Weg den Eindruck zu erwecken, als sei sie Ekklesia. Ungeheuer viel theologische Arbeit ist darein investiert worden, über die Begründungen des Kirchenrechts diesen Beweis anzutreten. Wer weiß, dass die Kirche nicht Ekklesia ist und es auch niemals werden kann, wird radikal Abschied nehmen von einer Theologie, die die Begründungen von Kirchenrecht und Ordnungen geistlich klingen lässt, während das geistliche Leben ausfallen kann.
Die Kircheninstitution bedarf keiner anderen Begründung als allein der, dass sie dem Werden von Ekklesia zu dienen hat. Kirchliches Recht und Ordnungen bedürfen keiner anderen Begründung als allein der, dass sie für diesen Zweck nützlich sind. Kirchliche Ämter bedürfen keiner anderen Begründung als allein der, dass sie dem Gemeindeaufbau dienen. Die konsequente Unterscheidung von Institution und Ekklesia gibt die Institution mit ihrem Recht, ihren Ordnungen und Ämtern gerade nicht der Eigengesetzlichkeit preis, sondern setzt sie unter allerhöchste geistliche Ansprüche. Begründet man dagegen ihre Daseinsberechtigung nicht von dieser Funktion her, dann besteht allerdings die Gefahr, dass Recht, Ordnungen und Ämter der Kirche hinter der Fassade „theologischer” Begründungen umso unhinterfragbarer ihre Eigengesetzlichkeiten entfalten. Man darf sie dann nicht mehr allein unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit betrachten, kritisieren und strukturieren, sondern ihr bloßes Vorhandensein ist letztlich – weil sie von Christus so eingesetzt sind – jenseits aller Nützlichkeitserwägungen ein Zeichen des Gehorsams dem „Herrn der Kirche” gegenüber. Dabei muss betont werden, dass die Begründung von Recht, Ordnung und Amt unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit für den Gemeindeaufbau alles andere als eine „pragmatische” im Gegensatz zu einer „theologischen” Begründung ist; sie ist die einzig tragfähige theologische Begründung. Die Unterscheidung von Kirche und Ekklesia führt keinesfalls zu einer „Rechtsfeindlichkeit”, die sich immer verheerend ausgewirkt hat, sondern gibt einen eindeutigen, sehr theologischen Maßstab an, an dem alles Kirchenrecht zu messen ist.
Wenn wir die Kirche in ihrer gesamten institutionellen Erscheinung theologisch allein von ihrer Aufgabenstellung her begründen, dem Werden von Ekklesia zu dienen, dann kann nicht übersehen werden, dass sie diese Aufgabe weit gehend nicht erfüllt. Wie aber sind dann ihr Recht, Ihre Ordnungen und Ämter zu begründen? Anstatt jetzt abenteuerliche Selbstrechtfertigungs-Theologien zu basteln, sollte sich die Einsicht durchsetzen, dass sie sich unter Ausklammerung des Gemeindeaufbaus theologisch überhaupt nicht begründen lassen. Dennoch ist es keine schwierige Frage, wie es zu Kirchen- Und Verwaltungsordnungen, Zu Den Vor- Und Nachgeordneten Ämtern Der Kirche Kommt: Die Faktizität Des Vorhandenseins Der Institution Ist Bereits Hinreichende Begründung.
Natürlich kann dieses positivistische Rechtsdenken eine Institution nicht genügen, die von dem Anspruch ausgeht, Gemeinde Jesu Christi zu sein. Da man auf diesen Anspruch nicht verzichten will, muss notwendigerweise Recht und Ordnung anders begründet werden. Theologisch begründet werden sie aber keineswegs unter dem Aspekt ihrer Nützlichkeit für das Werden von Ekklesia, sondern man lässt sie im „ Liebes- und Rechts willen Gottes ” Wurzeln und charakterisiert sie so als „ aus dem Gottesdienst erwachsende Ordnung“, als „bekennende Ordnung“, als „ökumenische Ordnung“ und als „diakonische Ordnung“, auch wenn das in einem noch so krassen Missverhältnis zu der kirchlichen Realität stehen mag.
Es stimmt einfach nicht, dass der Gottesdienst „ Quellort der Ordnung und des Rechts in der Kirche ” ist. Wieder kann schon ein flüchtiger Blick in die Kirchengeschichte davon überzeugen, dass es zu allen Zeiten aus den verschiedensten Quellen gesprüht hat, wenn es um Recht und Ordnung ging, nicht aber aus dem Gottesdienst. Es ist uns auch nicht vorstellbar, wie das technisch möglich sein sollte; es sei denn, man meint mit dem Gottesdienst als Quellort lediglich eine wohl klingende, aber inhaltslose Phrase, die man allzu wörtlich nicht nehmen darf.

3. Plädoyer für eine ehrliche Kirche


Wir haben viel über die Kirche gesprochen. Ist aber die Gefahr nicht immer, dass sich niemand wirklich angesprochen fühlt und die Aussagen deshalb wirkungslos bleiben, wenn man über jemanden spricht? Muss man nicht jemand direkt anlegen, wenn man etwas von ihm will? Aber das ist ja gerade das Dilemma bei der Kirche: Sie ist kein jemand, sondern eine Institution. Wie soll man eine Institution anreden, die wieder Uhren noch ein Herz hat? Wenn die Kirche als Institution auch wieder Uhren noch Herz hat, so hat sie doch auf jeden Fall Funktionäre, die diese Institution gestalten und die Weichen für die Zukunft stellen. Und diese Funktionäre haben Ohren und Herzen, die geht, wenn sie nicht verschlossen oder verstockt sind – sehr wohl angesprochen werden können. Wenigstens an eine Stelle unsere Arbeit möchten wir die Kirche direkt anlegen, damit wir nicht ständig nur über sie sprechen müssen. Eine – wenn auch nur fiktive – Anrede der Kirche vermag vielleicht mehr zu verdeutlichen als alle Aussagen über sie.

Die Kirche darf nicht so tun, als garantierte Kirchenmitgliedschaft die Gliedschaft am Leib Jesu Christi.
Kirche, manchmal wünscht man sich, dass man dir direkt gegenüberstehen könnte, um ganz persönlich mit dir zu reden. Weißt du, was wir dich dann fragen würden? Wir würden dich fragen, ob du dich wirklich selbst für den Leib Christi hältst. Was dabei dann aus seinem Mund als Antwort kommen würde, wäre uns gar nicht so interessant. Du wirst dir eine Antwort auf diese Frage schon reiflich überlegt haben nicht was du sagst, wäre uns wichtig, sondern wie du es sagst, ob mit kräftiger, mutige Stimme oder kleinlaut, verschüchtert, als ob du etwas von dir geben müsstest, was du selbst nicht so recht glauben kannst. Könntest du wirklich auf diese Frage mit einem klaren, eindeutigen Ja antworten? Könntest du wirklich ja dazu sagen, ohne dabei rot zu werden? Wir würden dir bei deiner Antwort zu gern ins Gesicht ziehen, deine Mimik beobachten, deine Gestik, das Spiel deine Hände. Schade, Kirche, dass es zu einer solchen Begegnung nie kommen kann.
Mit differenziert du auch immer auf eine solche Frage antworten würdest, faktisch hast du immer so getan, als wärest du der Leib Christi. Weilte das als Institution aber gerade nicht sein kannst, hast du dich über Jahrhunderte wie eine Heilsanstalt aufgespielt, die das ewige Heil ihrer Mitglieder zu garantieren vermag. Jetzt sage nicht, das sei rein katholisches Denken! Wenn du dich unter seinen Mitgliedern und funktionieren umhören würdest, dann würdest du merken, wie stark dieses Denken auch mitten im Protestantismus bis in die heutige Zeit verwurzelt ist.

Nach einem offenen Abend komme ich mit einem Menschen ins Gespräch. Erscheint die Spitze des Abends richtig verstanden zu haben und vom Evangelium beunruhigt worden zu sein. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe”, sagte er, „dann heißt das, dass ich gar kein Christ bin, obwohl ich der Kirche angehörte.” Ich möchte gerade diesen Faden aufgreifen, um mit diesen Menschen Überlebens veränderte Perspektiven des Glaubens zu sprechen, dann müssen sich andere in das Gespräch ein. „Natürlich sind sie Christ. So dürfen Sie den Abend und auch nicht wieder verstehen. Wenn Sie kein Christ sind, werden dann? Wo kämen wir hin, wenn wir uns untereinander das Christsein absprechen wollten!”

Ein Pfarrer beginnt in seiner Parodie mit dem Gemeindeaufbau und spricht Menschen ganz konkret auf Ihren persönlichen Glauben an. Eine ältere Bezirksfrau, die seit ihrer Jugend in Treue in der Kirche ihren Dienst tut, entrüstet sich: „was wollen Sie eigentlich, Herr Pfarrer? Unser alter Pfarrer hat immer gesagt: wenn du getauft bist und der Kirche angehörst, dann bist du Christ. Haben Sie etwa ein anderes Evangelium?”
Woran liegt es, dass kirchliche Menschen oft die ersten sind, die der Evangelisation und damit dem Gemeindeaufbau im Wege stehen?
Kirche, wie kommt es denn, dass dich viele Mitglieder immer noch wie eine Heilsanstalt betrachten? Haben Sie sich das in stillen Stunden selber ausgedacht? Fühlst du dich von dieser Beurteilung viele deiner Mitglieder zutiefst missverstanden? Jetzt lass mal uns ganz offen und ehrlich miteinander reden: du hast doch selbst dieses Denken erfunden und ist eine Mitgliedern solange ein geimpft, wie sie es glaubten. Über Jahrhunderte hinweg hast du ja auch ganz gut dabei existiert, weil man dir dein Selbstverständnis als Heilsanstalt und hinterfragt abgenommen hat. Du, heute sind da die Leute schon kritischer. Die lassen sich nicht mehr so leicht an der Nase herum führen. Die wollen wissen, was Sie von Ihrer Kirchenmitgliedschaft haben. Die meisten können einfach nicht mehr glauben, dass eine Mitgliedschaft in dir auch nur irgendetwas mit ihrem zeitlichen und ewigen Heil zu tun haben könnte. Ist es nicht schön, Kirche, dass die Leute endlich zu fragen?
Wenn aber nicht die kirchenmitgliedschaftszeitliches und ewiges Heil gewährleistet, sondern nur die Gliedschaft am Leib Jesu Christi – weißt du, Kirche, was zu dann jahrhundertelang angerichtet hast, indem du dich wie eine Heilsanstalt aufgespielt hast? Du hast die Menschen um das beste von vornherein betrogen. Wie viele Menschen, die dir deine Parolen abgenommen haben, haben dadurch niemals einen Zugang zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gefunden! Wie viele von Ihnen, die allesamt Kandidaten des ewigen Lebens sind, von Gott geliebte Menschen, während kernig wieder am Leib Jesu Christi geworden, wenn du ihnen nicht eingeredet hättest, dass Kirchenmitgliedschaft schon Gliedschaft am Leib Christi wäre!

Jetzt immer davon geredet, dass du dich jahrhundertelang in dieser Weise verhalten hast. Dahinter steckt, dass wir es uns einfach nicht vorstellen können, dass du dich auch heute noch als Heilsanstalt verstehen könntest. Wenn man dich so fragte, dann würdest du das auch ganz bestimmt entschieden verneinen. Kein Theologe – zumindest kein protestantischer – würde ernstlich an einer solchen ihrer Lehre festhalten wollen. Aber dann erschreckt ist doch, wie – trotz der Eindeutigkeit der theologischen Erkenntnisse – eine Praxis nach wie vor Heilsanstalt Licht geprägt ist Kirche, warum wird eigentlich Theologie getrieben, wenn du deine Praxis doch nicht von ihr bestimmen lässt? Ist es vielleicht der bloße Eigennutz, der dich auch in der Gegenwart noch wie eine Heilsanstalt amtieren lässt? Glaubst du vielleicht, was jahrhundertelang für dich so vortrefflichen Zenit hat, müsste auch heute noch funktionieren?
Du hast dir wirklich gefährlichen Mechanismen entwickelt, um dich als Kirche unentbehrlich zu machen. Man kann die sicherlich viel vorwerfen, aber bestimmt nicht, dass deine jahrhundertelangen Strategien ohne eine gehörige Portion Cleverness und Raffinement gewesen sind. Wie kam dir doch der Aberglaube der Menschen gelegen, und wie hast du ihn dir auf breiter Ebene zu Nutze gemacht! Wie du dich über die Erfindung des „Amtes” unentbehrlich gemacht hast! Ein ordinierter Priester muss die Sakramente zelebrieren, wenn sie gültig sein sollen – raffiniert gedacht! Du wusstest doch genau, dass das den religiösen Bedürfnissen vieler Menschen nur zu sehr entgegenkommt. Du hast die Menschen ruhig in ihrem alten Leben weiterleben lassen und ihnen über die Berufung auf die Rechtfertigung des Senders dabei noch ein gutes Gewissen gemacht, solange sie dich nicht hinterfragt. Menschen konnten ihr Leben lang an Christus vorbei leben; ihr Glaube war durch ihre Kirchenmitgliedschaft und hinterfragt wahr geworden. Und du stelltest dich immer „schützend” vor diese Kirchenmitglieder, wenn es jemand wagte, deren Glauben zu hinterfragen. Der Hintergrund dieser deiner Solidarität ist nur allzu verständlich. Das Motto hieß doch jahrhundertelang: ich garantiere euch das Christsein und lasse euch ansonsten in Ruhe, wenn ihr mich als Kirche in Ruhe lasst. Gar nicht schlecht gedacht, Kirche, dieser Pakt mit den Bedürfnissen der Menschen, ihr altes Leben mit einer religiösen Verzierungen versehen zu lassen. Wenn auch in den Konsequenzen verheerend, aber dumm ist diese Konzeption wahrlich nicht. Aber jetzt musst du entschuldigen, Kirche, vielleicht waren diese Worte doch ein wenig zu hart. Vielleicht hast du ja gar nicht immer so berechnend und kaltblütig agiert, wie es in außenstehende Betrachter meinen könnte. Vielleicht hast du ja das alles in gutem Glauben getan. Vielleicht hast du gar nicht den Aberglauben für dich ausnutzen wollen, sondern warst selbst dem Aberglauben aufgesessen. Entschuldige, Kirche, wenn das der Fall sein sollte, dann waren unsere Worte wirklich unangemessen hart.
Du merkst doch heute selbst, dass das, worauf du lange wie selbstverständlich bauen konntest, zunehmend weniger trägt. Wenn nimmt dir denn heute noch deine „theologischen” Legitimierungsversuche ab? Wenn man die Begründungen deine Ämter zur Kenntnis nimmt, dann bleiben einem nur zwei Möglichkeiten: Entweder kann man vor Ehrfurcht erschauern – und das haben jahrhundertelang die Menschen getan –, oder man kann laut auslachen. Willst du es den Menschen unserer Zeit ernstlich verübeln, dass sie sich zunehmend für das Lachen entscheiden? Viele bleiben wir lachend Index bilden lachend aus. Kirche, du hättest schon viel verstanden, wenn du zumindest mit diesen Menschen gemeinsam lachen würdest.
Sie doch ein, Kirche, dass sich die Zeiten geändert haben, dass du keine Chancen hast, wenn du auch heute noch die Heilsanstalt spielen wolltest. Wenn du heute wieder verstärkt auf die Amtshandlungen setzt, dann geht es doch im Kern lediglich um eine Renaissance dieses jahrhundertealten Aberglaubens. Die Leute wollen von dir, zumal an den Schnittpunkten ihres Lebens, ihr Christsein bestätigt haben, und du spielst gern mit, weil die Lieder von etwas verspritzt. Als ob eine solche Strategie Zukunft hätte! Kirche, das ist ein längst verlorenes Gefecht! Du doch wenigstens in Zukunft nicht mehr so, als ob die Mitgliedschaft in dir und die Absolvierung des religiösen Service irgendetwas mit dem Heiligen Christus zu tun hätte. Ja, Kirche, wir wissen auch, dass das immer noch viele deiner Mitglieder allen ernstes glauben und nur deshalb in der Kirche bleiben. Und du weißt das auch nur zu gut. Du wirst ja auch die Erhebungen zur Kenntnis genommen haben, die die gezeigt haben, dass viele nur in der Kirche bleiben, weil sie durch die kirchliche Beerdigung ihre Chancen auf ein weiterleben nach dem Tod erhöhte sehen. Welch ein abgrundtiefe Aberglaube! Stell dir das mal vor, Kirche: da gibt es immer noch Menschen, die glauben, indem sie sich kirchlich bestatten lassen, würde der Herr gnädiger auf sich ziehen. Erschreckt es sich eigentlich nicht, dass so etwas noch mitten im 20. Jahrhundert möglich ist?
Manchmal kann man ja fast den Eindruck kriegen, als wolltest du gerade auf diesen Aberglauben bauen, anstatt ihn entschlossen zu bekämpfen. Aber, Kirche, sag uns doch, dass dieser Eindruck trügt, dass wir Dichter gründlich missverstanden haben. Bau doch nicht länger auf Strategien, die im Mittelalter noch angehen konnten, weil da der Aberglaube religiöses Gemeingut war. Bau doch nicht länger auf den Aberglauben! Er gehört der Alten Welt an, die vergehen wird. Aber doch endlich auf die Leute, die Christus nachfolgen wollen! Fördere sie, unterstütze sie, hilft Ihnen zu qualitativen und quantitativen Wachstum!
Wir wissen nicht, ob du deine Stellung als Volkskirche noch lange wirst halten können, oder ob du nicht schon bald zu einer Minderheitenkirche werden wirst. Wir wissen nur eins: je mehr du weiterhin auf den Aberglauben setzt, desto schneller wirst du dich mit Sicherheit in eine Minderheitenkirche verwandeln. Der Grund ist doch klar: die Zahl der Menschen, die dich auch weiterhin noch als Heilsanstalt zu akzeptieren bereit sind, ist bald nur noch eine verschwindend kleine Minderheit. Gott sei Dank! Welcher Teufel reitet sich eigentlich, dass du genau darauf setzen willst? Je mehr du dich auf den Glauben einliest, desto mehr wirst du auch teilhaben an seinem Wachstum. Während der Aberglaube zum Untergang verteilt verurteilt ist, ist der Gemeinde Jesu Christi der Sieg zugesagt.
(68) die Kirche muss ihre Mitgliedern deutlich machen, was sie Ihnen zu bieten hat.
Haben wir mit unseren Worten etwas schlimmes angerichtet? Wir wissen doch, wie man im allgemeinen auf solche Sätze reagieren wird: das sei furchtbar lieblos von uns, so mit dir zu reden. So könnte man doch nicht der Kirche kommen! Man wird in unseren Worten die Liebe zu dir vermissen.

Als Gustav Heinemann einmal gefragt wurde, ob er den Staat Liebe, soll er geantwortet haben: „ich liebe meine Frau”. Das war eine gute Antwort. So leid es uns tut, Kirche, wir können dich einfach nicht lieben, auch wenn wir es wollten. Du bist eine Institution. Wie sollte man eine Institution lieben? Wenn wir jetzt so tun, als könnte man mit dir sprechen, dann kann das ja den Eindruck erwecken, als seist du so etwas wie eine Person. Aber unser Gespräch ist ja nur fiktiv. Mit dir, der Institution, kann man ebenso wenig reden, wie man dich lieben kann. Das spricht übrigens überhaupt nicht gegen dich, denn als Institution bist du überhaupt nicht dazu da, geliebt zu werden.
Aber wenn wir auch dich, die Institution, nicht lieben können, so lieben wir doch mit ganzer Leidenschaft die Schwestern und Brüder. Und wenn wir mit dir bisweilen sehr hart reden müssen, dann doch nur deshalb, weil wir die Schwestern und Brüder lieben und weil wir von ganzem Herzen wünschen, dass diese Liebe in dir, der Institution, immer mehr zum Zuge kommt. Deshalb können wir uns unmöglich damit abfinden, wenn in dir immer noch heilsanstaltliche Züge vorhanden sind. Eine Heilsanstalt, das haben die letzten Jahrhunderte eindeutig gezeigt, tötet geradezu den Glauben und damit auch die Liebe, die aus ihm erwächst.

Aber wenn du nicht mehr Heilsanstalt spielen darfst, was bleibt dir dann überhaupt noch? Hast du dich nicht so sehr auf dieses Denken eingelassen, dass du glaubst, es dir gar nicht leisten zu können, wirklich ehrlich zu sein? Du, das wäre ein großer Irrtum! Du hast es gar nicht nötig, die Heilsanstalt zu spielen. Du hast genug zu bieten, dass du es wagen könntest, deinen Mitgliedern ehrlich gegenüber zu treten.

Solange du auf deine eigene Stabilität als das höchste Gut fixiert bleiben willst, kannst du nur noch alles falsch machen. Die einen treten aus der Kirche aus, weil du zu politisch bist. Hältst du dich aber in politischen Fragen aus Sorge um deine Stabilität diplomatisch zurück, sind die anderen verärgerten Kehlen die den Rücken. Sagst du, dass beide Positionen Ihr Recht haben, um damit beide Gruppen für dich zu gewinnen, dann wird die mit Recht entgegengehalten, dass das doch gar nicht geht. Stimmt. Stimmst du auch in dieser Position zu, wird man dich wahrscheinlich für verrückt halten. Äußerst du gar nicht mehr, um ja nichts falsch zu machen, dann machen wir die anderen wiederum dein Schweigen zum Vorwurf. Wie willst du mit dieser Taktik deine Stabilität bewahren? Es ist doch ganz zwangsläufig, dass du, wenn du es allen recht machen willst, vor jedem Schritt panische Angst haben muss. Das aber wird sich mit Sicherheit daran hindern, überhaupt noch mutige Schritte zu tun, die dich allein aus dieser verzweifelten Situation befreien können.
Auf diese Weise, Kirche, verspielst du doch gerade deine Attraktivität! Wenn du so auftrittst, kannst du dich doch zunehmend nur noch lächerlich machen, um ein Selbsttor nach dem anderen zu schießen! Es sind dich doch auf das, was du wirklich zu bieten hast!

Du bist Trägerin einer starken Diakonie in unserem Land. In Caritas und Diakonie wirken insgesamt fast eine halbe Million Mitarbeiter, davon allein im diakonischen Werk mehr als 200.000 hauptamtliche. Immer noch sind deine Kirchengemeinden mit ihren Gottesdiensten, mit ihren Gruppen und Vereinen, mit ihrer Jugendarbeit und ihren Seniorenclubs, mit ihren Freizeitprogrammen und ihre Bildungsarbeit der Boden, auf dem ein gutes Stück Sozialisation und Vermittlung von ethischem Bewusstsein geschieht. Dabei darf nicht übersehen werden, dass 100 tausende von ehrenamtlichen Mitarbeitern unentgeltlich anderen Menschen ihre Kräfte zur Verfügung stellen. Mit diesen und vielen anderen Tätigkeiten erfüllst du Aufgaben von höchster gesellschaftlicher Relevanz. Du kannst ruhig deine Mitglieder fragen, ob sie bereit sind, auf alles Taste verzichten. Würden alle diese Einrichtungen irgendwann einmal ersatzlos gestrichen, dann sehe es in unserem Land mit einem Mal sehr viel düsterer aus. Es müsste umgehend Ersatz geschaffen werden, und es würde sich herausstellen, dass es gar nicht so leicht möglich ist, angemessenen Ersatz für deine Aktivitäten zu finden. Was auf deinem Boden organisch gewachsen ist, wer auf dem Boden andere Institutionen ein künstliches Gebilde. Und es würde dem einzelnen Bürger mit Sicherheit bei weitem teurer kommen als seine Kirchenmitgliedschaft. Der angebliche Spareffekt eines Kirchenaustritts kann sich einmal als ein ganz gefährlicher Bumerang herausstellen. Würdest du als Trägerin von Erziehung, Diakonie und Bildung eines Tages völlig ausgeschaltet, sie würde damit dem Staat ein beängstigende Monopol eingeräumt, dass weder ihm noch seinen Bürgern gut bekäme.
Du bist eine Institution, auf die wir in unserem Land nur schwer verzichten können. Du solltest dir viel Mühe geben, deinen austrittswilligen Mitgliedern klarzumachen: wenn Sie auf dich als wichtigen Bestandteil unseres gesellschaftlichen Systems verzichten wollen, dann sollten Sie sich auch über die Konsequenzen klar sein. Wenn Sie nicht auf deine Arbeit verzichten wollen, dann sollten sie auch gefälligst Mitglied bleiben. Aber bitte, Kirche, gewöhne dir doch endlich ab, so zu tun, als hätte diese Frage irgendetwas mit dem Heil deine Mitglieder zu tun.
Auf diese Weise könntest du schon heute deinen Mitgliedern ehrlich gegenübertreten, ohne auf die heilsanstaltliche Argumentationskrücke auch nur irgendwie angewiesen zu sein. Die Funktionen, die du heute in unserer Gesellschaft erfüllst, könnten schon Grund genug sein, Kirchenmitglied zu bleiben. Aber vielleicht befürchtest du, diese Argumente würden das austrittswillige Mitglied letztlich nicht überzeugen. Vielleicht hast du ja recht. Aber du brauchst ja nicht so zu bleiben, wie du bist. Du könntest dich ja auf den Gemeindeaufbau einlassen. Kirche, wenn du dich wirklich konsequent dieser Aufgabe verschreiben würdest, hättest du keinerlei Schwierigkeiten mehr, deinen Wert und auch deine Attraktivität deinen Mitgliedern gegenüber plausibel zu machen.
Wenn du alle Kräfte darauf konzentrieren würdest, das Gemeinde Jesu Christi in die entsteht, dann brauchtest du dich nicht länger mit theologisch tiefgründigen Dogmen oder auf die aktuelle Situation gemünzten Proklamationen zufrieden zu geben, sondern könntest auf Gemeinschaften des neuen Lebens verweisen, die die christliche Botschaft durch ihr Leben auslegen. Diese Gemeinschaften des neuen Lebens haben ihren tragenden Grund im Glauben an Jesus Christus, der Menschen als Schwestern und Brüder zusammengebracht hat und zusammenhält. Was diese Menschen erfahren haben, erzählen sie weiter. Sie werden regelmäßig die Kirchenmitglieder besuchen, Ihnen den Glauben bezeugen und die Liebe nicht schuldig bleiben. Freundschaftliche Kontakte entstehen. Häuser öffnen sich. In Hauskreisen wird über die Frage nach dem Sinn des Lebens gesprochen. In ihnen werden Perspektiven lebensverändernden Möglichkeiten erschlossen. Antworten auf die Frage nach Heilsgewissheit und ewigem Leben können gefunden werden. Hier stellen sich Menschen verbindlich dem brennenden politischen und sozialen Problemen unserer Zeit und laden jeden zur Mitarbeit ein. Durch die Präsenz der Christen gewinnt Kirche etwas Nachbarschaftliches. Sie sind nicht zu schade, andere Menschen zu betreuen, und werden nicht müde, sie zum Glauben und damit zur christlichen Gemeinschaft einzuladen. So könnte endlich wieder das christlich Normale geschehen.
Was hindert dich eigentlich daran, Kirche, dich in deiner Arbeit auf diese Gemeinschaften des neuen Lebens zu konzentrieren? Du könntest dabei überhaupt nicht verlieren, sondern nur noch gewinnen. Lass dich doch konsequent darauf ein! Du, hinzu eine Kirche könnte es richtig Spaß machen, Kirchenmitglied zu sein.

(69) die Kirche muss aufhören, geistliche Aufbrüche zu diskriminieren und Glaubenslosigkeit zum christlich Normalen zu erklären.

Du wirst als Kirche deinen Mitgliedern auf jeden Fall nur dann überzeugend gegenübertreten können, wenn das, was du verkündigst, auch gelebt wird. Deshalb wäre es nur konsequent, wenn du an den Gemeinschaften des neuen Lebens vordringlich interessiert wäre es. Aber von dieser Einsicht scheinst du offensichtlich noch meilenweit entfernt zu sein. D.h. nicht, dass du geistliche Aufbrüche etwa offen bekämpfen würdest. deklamatorisch bekundest du ja immer wieder dein Interesse an Evangelisation, spirituelle Erneuerung geistlichem Leben und Gemeindeaufbau. Aber deine ganze Tradition steht dir immer wieder dabei im Wege, dich ernstlich darauf einzulassen.

Kirche, was ist nur los mit dir? Glaubenslosigkeit wird von deinen Gremien nicht nennenswert hinterfragt. Wo sich glaubwürdig, greifen sie dagegen dämpfend ein. Gebetslieder schockiert niemanden. Wird Gebetsgemeinschaft praktiziert, müssen sich Christen dafür rechtfertigen. Passivität wird fraglos akzeptiert, wenn man auch „aktive Gemeindeglieder” für durchaus wünschenswert hält. Werden jedoch Christen im Sinne des Auftrags des Evangeliums aktiv, dann sind deine Funktionäre oft die ersten, die sich ihrem Engagement entgegenstellen. Kirche, die Verhältnisse könnten sich da ruhig einmal umkehren!

Natürlich ist es nicht schwer, bei aktiven christlichen Gemeinschaften Fehler und Dummheiten zu entdecken, die keineswegs bagatellisiert werden dürfen. Aber muss es denn so sein, dass diese Dummheiten so aufgegriffen werden, um diese Gemeinschaften grundsätzlich infrage zu stellen, während man sich durch stumpfe Gleichgültigkeit in der Paradoxie kaum beruhigen lässt? Fehler kann man immer nur dort machen, wo man sich verbindlich auf eine Sache eingelassen hat.
Wie viel Kraft und Zeit wird doch in der Kirche verpulvert für kleinkarierte Querelen, die daraus resultieren, dass man es nicht ertragen kann, wenn in einer Kirchengemeinde das Leben aufblüht, während eine andere vollkommen lieblos dahinvegetiert. Man wird denen, die sich auf den Gemeindeaufbau eingelassen haben, immer Steine in den Weg legen wollen. Kirche, wir erwarten von dir, dass du dich in diese Querelen auf die richtige Seite stellst. Die brennenden Probleme unserer Welt und der Hunger unserer Zeit nach dem Evangelium warten auf den Dienst der christlichen Gemeinschaften. Werden sie von dir die nötige Rückendeckung bekommen? Kirche, du wirst dringend gebraucht!



Aus „Theologie des Gemeindeaufbaus” von Fritz Schwarz und Christian A. Schwarz. Seite 218 bis Seite 227. Edition Aussaat

Donnerstag, 6. Februar 2014

Wie die Kirche Zukunft hat (M. Herbst)

Vortrag von Prof. Dr. Michael Herbst auf dem Willow-Creek-Leitungskongress am 6.2.2014 in Leipzig

klick: "Wie die Kirche Zukundt hat" (pdf-Dokument)

Montag, 27. Januar 2014

"Weck die tote Christenheit!"

Ein Beitrag aus dem Blog mit der täglichen Losungsauslegung www.glaubenswachstum.blogspot.de

Dienstag, 28. Januar 2014

"Weck die tote Christenheit!"


Losung: Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! Psalm 84,6

Lehrtext: Als Jesus nicht mehr fern von dem Haus war, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen: Ach Herr, bemühe dich nicht; ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst; darum habe ich auch mich selbst nicht für würdig geachtet, zu dir zu kommen; sondern sprich ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Lukas 7,6-7

Liebe Leserin, lieber Leser,

unsere evangelische Kirche muss sich ändern und zwar grundlegend. Mit ein bisschen Kosmetik ist es nicht getan. In ihrer gegenwärtigen Gestalt und Organisationsform ist sie nicht mehr fähig, den Auftrag Jesu zu erfüllen und eine wachsende Zahl von Menschen für den Glauben zu gewinnen. Mitglieder, Gebäude, Mitarbeiter und Kirchensteuern zu verwalten, - das reicht nicht. Nur mit viel Geld schöne Fassaden zu pflegen und Menschen mit Ritualen zu versorgen, ist für eine evangelische Kirche zu wenig. Sie muss stattdessen alles daran setzen, dass ihre Mitglieder mündige,  selbstverantwortliche, gläubige Christen werden und neue Menschen hinzugewinnen.
Äußerlich sichtbar wird der Niedergang in den seit Jahrzehnten hohen Austrittszahlen, im Kindergottesdienstbereich und in der Tatsache, dass 97 Prozent der Evangelischen am Sonntag keinen Gottesdienst mehr besuchen. Ein Wirtschaftsbetrieb hätte bei einer solchen Bilanz längst Konkurs anmelden müssen. Wenn die Kirchensteuer morgen wegbricht, ist die Kirche auch materiell bankrott und stürzt wie ein Kartenhaus ein. Das wird dann der Offenbarungseid, wie es um den inneren Zustand der Kirche bestellt ist. Aber ein Tiefpunkt kann auch ein Wendepunkt sein mit der Chance für einen Neubeginn.
Ich kenne die wütenden Proteste gegen diesen Befund. Das wundert mich nicht, schließlich geht es um die Substanz, um die Macht, ums Geld und bei den Kirchenbediensteten um die Existenz. Ich weiß auch, dass es (noch) nicht viele sind, die in Deutschland so denken. Sie können  gegen die erdrückende Mehrheit – auch derer, die sich für fromm halten - nur bestehen, wenn sie, wie es die Tageslosung sagt, den Herrn „für ihre Stärke halten“. Wenn sie nicht auf Anerkennung und Wohlwollen derer schielen, die sich im Kirchenbetrieb eingerichtet haben, sich mit bestehenden Macht-Verhältnissen arrangieren und von ihnen profitieren.
Wer möchte, dass sich die Kirche, wie in der Reformationszeit, wieder auf ihren Herrn Jesus Christus und die Bibel besinnt, wieder aus dem Glauben lebt und nicht von der Steuer, darf keine Angst haben, als Fundamentalist denunziert oder als weltfremder Träumer verspottet zu werden. Er muss sich zuallererst vom Wort Gottes herausfordern und seinen eigenen Glauben erneuern lassen. Er muss bereit sein, sich selbst zu ändern, alte Gewohnheiten und Beziehungen aufzugeben und die Wärmestube der Selbstzufriedenen und Selbstgefälligen zu verlassen. Er muss alle Energie und Hilfe, alle Entschiedenheit und allen Trost von Christus erbitten. Denn nur durch sein Wort wird Kirche wieder gesund. Nur im Vertrauen darauf, dass sein Wort wirkt, was es sagt (Lehrtext), hat es Sinn, an der Erneuerung der Kirche zu arbeiten. Und die beginnt nicht „oben“ in der Kirchenleitung, nicht in den Synoden, nicht in den theologischen Fakultäten, sondern „unten“, in den Herzen der Menschen (Losung), die Gemeinde sind.

Gebet: „Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit, dass sie deine Stimme hört, sich zu deinem Wort bekehrt. Erbarm dich Herr!“ Amen (Lied  EG 263 Vers 2)

Herzliche Grüße


Hans Löhr